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„Als kleines Mädchen habe ich mich schon ein bisschen gefürchtet“, erinnert sich Katharina, wenn sie an die Raunächte ihrer Kindheit in Vorarlberg zurückdenkt. Besonders mit der Oma wurde zwischen Weihnachten und Neujahr viel gebetet und geräuchert, und manche Regeln waren unumstößlich: „Es war ihr sehr wichtig, dass in dieser Zeit keine Wäsche gewaschen und aufgehängt wird, weil sich sonst ‚Die Wilde Jagd‘ darin verfangen könnte. Das bringt Unglück für das nächste Jahr.“ An diese Tradition hält sich die Heumilchbäuerin heute nicht mehr so strikt: „An Heiligabend, dem ersten Weihnachtstag und am 5. Jänner steht bei uns die Waschmaschine still. Aber dazwischen wasche ich schon, das geht sich mit vier Kindern nicht anders aus!“ lacht die stolze Mama von vier Mädchen, die mit ihrem Mann das Geisbichlgut in Salzburg bewirtschaftet, auf dem 18 Heumilchkühe mit eigener Nachzucht, 200 Hennen, Wachteln und ein Hofkater leben.
Ursprung und Legenden
Auch wenn die Bräuche an das moderne Leben angepasst werden: Die Raunächte sind für Katharina eine wichtige Zeit, in der sie die uralten Traditionen pflegt. Die „Tage zwischen den Jahren“ haben ihren Ursprung im germanischen Mondkalender und sind bis auf die Kelten zurückzuführen. In dieser Zeit, so heißt es, ist das Band zwischen dem Diesseits und dem Jenseits stärker als gewöhnlich, dunkle Kräfte haben ein leichteres Spiel. Etwa die furchteinflößende „Wilde Jagd“, Gott Odins Totenheer. Ein alter Aberglaube besagt, dass die nächtlichen Reiter weiße Wäsche von der Wäscheleine schnappen und diese dem Besitzer im Laufe des folgenden Jahres als Leichentuch zurückgeben. Daher war es verpönt, in dieser Zeit Wäsche auf der Leine aufzuhängen. Auch aus Furcht, die „Jagd“ könnten sich in der Leine verheddern und im Haus bleiben.
Räuchern und Reinigen
Was im ersten Moment vielleicht merkwürdig klingt, hatte gerade in früheren Zeiten einen tieferen Sinn: Durch das „Verbot“ der mühsamen und langwierigen Hausarbeit während der Feiertage hatten die Menschen mehr Zeit, um sich zu besinnen, das vergangene Jahr abzuschließen und das neue zu begrüßen. Dabei spielte das Räuchern eine große Rolle. Um Haus und Ställe von schlechter Energie zu reinigen und Mensch und Tier vor Unheil zu schützen, werden in den Raunächten noch heute Heilpflanzen und Harze in allen Räumen verräuchert. Auch diesem Brauch liegen weniger mystische, sondern eher praktische Überlegungen zugrunde: Viele Kräuter und Pflanzen haben eine desinfizierende Wirkung, und so trug das Räucher-Ritual vor allem in früherer Zeit zur Gesundheit der Menschen und dem Wohl der Tiere bei. Spezielle Gebete sollten die Schutzwirkung des reinigenden Rauches noch verstärken.
Jedem dieser besonderen Tage kommt dabei eine spezielle Bedeutung zu. Hier die drei Wichtigsten:
24. Dezember – Weihnachten und Abschied vom alten Jahr
Traditionell wird mit Beifuß, Holunder, Lavendel oder reinigenden Räuchermischungen das alte Jahr verabschiedet.
31. Dezember – Jahreswechsel in Harmonie
Klassisch räuchert man am letzten Tag des Jahres mit einer Mischung aus Weihrauch, Myrrhe und Dammar oder harmonisierenden Mischungen.
5. Jänner – Energievoller Start ins Neue Jahr
An diesem Tag kann man mit energetisierendem Räucherwerk wie Tannenharz, Wacholder oder Salbei räuchern.
„Unsere Vorfahren wussten, dass das Verräuchern bestimmter Kräuter die Luft reinigen und vor Krankheiten schützen kann. Jeder, der das heute probiert, wird bestätigen, dass es, ähnlich wie Aromatherapie, einfach gut tut!“ ist sich Katharina sicher. Auch ihre Mädchen wissen bereits um die positive Kraft des Räucherns: „Wenn die Kinder das Gefühl haben, dass schlechte Stimmung im Haus ist, gehen sie mit weißem Salbei durch jeden Raum und verteilen den Rauch mithilfe von Hühnerfedern,“ erzählt Katharina. Auch die Heumilchkühe im Stall werden dabei nicht vergessen. Eine schöne Tradition, die nicht nur an den Weihnachtsfeiertagen für eine harmonische Atmosphäre sorgt, in der sich Mensch und Tier rundum wohl fühlen.